Fachpresseschau

Fachzeitschriften

Die Fachzeitschriftenauslese bietet einen Überblick über strafrechtsrelevante Beiträge aus juristischen Fachzeitschriften. Durch die aktuelle Auswertung von juristischen Fachzeitschriften wird ein zeitnaher und umfassender Überblick über aktuelle Entwicklungen des Strafrechts sowie über kommentierte Gerichtsentscheidungen geboten.

Festschriften

Die Veröffentlichung eines Beitrags in einer Festschrift gilt vielen aus Sicht der Praxis als »Beerdigung erster Klasse«. Doch manches dogmatisch oder rechtspolitisch besonders dicke Brett wird dort gebohrt und kann dem Verteidiger wertvolle Anregung und Hilfe geben. Deshalb wird, beginnend mit Jahrgang 2018 des Strafverteidiger (vgl. StV 2018, 261), in der Regel zweimal jährlich die bewährte Fachzeitschriftenauslese durch einen Überblick über die im Vorjahr erschienenen Festschriften ergänzt.

  

Auslese wichtiger Festschriftenbeiträge
des Jahres 2022 – Teil 1

Strafrecht AT

StGB Vor § 13
Tatbestandslehre

Kindhäuser FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 41

Der Grundlagenbeitrag offeriert »einige Anmerkungen zur Tatbestandslehre« basierend auf deren Konzeption bzw. Fortführung durch Beling (Die Lehre vom Verbrechen, 1906).

StGB Vor § 13
Personale Rechtsgutslehre

U. Neumann FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 157

Verf. greift die – von ihm selbst wesentlich geförderte – Diskussion um die personale Rechtsgutslehre erneut auf und hat keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, auch andere leidensfähige Lebewesen als Rechtsgutsträger anzuerkennen.

StGB Vor § 13
Strafrecht vs. Verwaltungsrecht

Bülte FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 139

Das Strafrecht sei dem Verwaltungsrecht – anders als dem Verfassungs- und Unionsrecht – nicht untergeordnet, sodass kein Anwendungsvorrang des Verwaltungsrechts bestehe.

StGB Vor § 13
Loveparade: Komplexe Unglücke und Strafverfahren

Schmitt-Leonardy FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 549

Verf. zeichnet das Loveparade-Strafverfahren nach und untersucht auf Basis der Empfehlungen der vom Landtag Nordrhein-Westfalen eingesetzten Expertenkommission, welcher sie angehörte, Möglichkeiten der Aufarbeitung und Prävention komplexer Unglücksereignisse. Empathie mit Betroffenen heiße dabei nicht zugleich notwendig auch Abbau von Garantien formeller Gerechtigkeit.

StGB § 13
Triage nach Impfverzicht

Engländer FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 603

Autor befasst sich mit der Triage bei nicht-coronageimpften Patienten und kommt zu dem Schluss, dass mangels rechtlich verbindlicher Grundlage, den Impfstatus als verbindlichen Abwägungsfaktor bei einer Triage zu berücksichtigen, der behandelnde Arzt in der ex ante-Triage frei sei. Bei ex post-Triage bleibe er jedoch verpflichtet, die bereits aufgenommene Behandlung nicht durch aktiven Abbruch zu beenden.

StGB § 13
Garantenpflicht bei der Geschäftsherrenhaftung

Basualto FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 209

Während seit BGHSt 54, 44 = StV 2009, 687 das bloße In-Kenntnis-setzen von Führungspersonal bei Personen mit begrenzter Weisungsmacht ausreiche, sei bei Garanten, deren Aufgaben die Überwachung und Abwendung von rechtswidrigem Verhalten umfassen (z.B. beim Compliance- oder Geldwäsche-Beauftragten), die Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden, nicht rechtswidrigen Handlungsoptionen einzufordern.

StGB §§ 15, 222
Prognoseentscheidungen im Strafvollzug

Hagemeier FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 29

Verf. befasst sich mit der Entscheidung des LG Limburg zur Fahrlässigkeitsstrafbarkeit bei Prognoseentscheidungen im Strafvollzug und folgert, dass die Ausübung einer gefahrgeneigten Tätigkeit nicht von der Strafbarkeit entbinde, wenn die erforderliche Sorgfalt nicht eingehalten worden sei. Statt mit BGHSt 64, 217 = StV 2020, 498 systemwidrig auf die unvernünftige Reaktion des Gefangenen abzustellen, seien das Verantwortungsrisiko sowie die hohe Arbeitsbelastung der Verantwortlichen erst bei der Strafzumessung zu berücksichtigen.

StGB §§ 15, 16 Abs. 1
Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit

Herzberg FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 219

Verf. diskutiert in Anknüpfung an Puppes Lehre von der »Vorsatzgefahr « und Prittwitz‘ kritische Replik hierauf erneut die Abgrenzung von dolus eventualis und luxuria, die in jüngerer Vergangenheit aufgrund der »Raserfälle« wieder große, auch praktische Bedeutung erlangt habe.

StGB §§ 15, 16 Abs. 1
Bedingter Vorsatz und bewusste Fahrlässigkeit

Kindhäuser FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 271

Verf. erörtert die Abgrenzung von dolus eventualis und luxuria anhand diverser Fallkonstellationen. Er resümiert für die »Raserfälle «entgegen dem BGH, dass es sich um Fahrlässigkeitstaten handele, da das irrationale Verhalten des Fahrzeugführers für spätere Zeitpunkte nicht mehr in Vorsatz umgedeutet werden könne, wenn im Zeitpunkt des Gefahrerkennens keine Verhinderung des Zusammenstoßes mehr möglich gewesen sei.

StGB §§ 15, 16 Abs. 1
Entscheidungen unter Ungewissheit

Kudlich FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 289

Verf. betrachtet dilemmatische Entscheidungssituationen (z.B. für den Beruf des Wirtschaftsprüfers), in denen Ungewissheit darüber herrscht, was zu tun ist. Hier bedürfe es bei dolus eventualis einer Einschränkung der Strafbarkeit, da sonst eine nicht mit rechtsstaatlichen Grundsätzen zu vereinbarende Bestrafung in einer »Zwickmühle« drohe. Eine ex ante richtige Wahl zwischen zwei Verhaltensoptionen dürfe nicht kriminalisiert werden, wenn sie sich ex post als falsch erweise.

StGB § 15
Sorgfaltspflichten bei ärztlichem Handeln

Schuhr/Wenig FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 673

Im Medizinstrafrecht werde dem Bestimmtheitsgebot durch die Konkretisierung der Sorgfaltspflichten anhand des medizinischen Facharztstandards Rechnung getragen. Dieser Maßstab sei jedoch anhand spezifisch strafrechtlicher Kriterien zu überprüfen (insb. der Möglichkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens und der Beurteilung ex ante).

StGB § 18
Todeserfolgsqualifikation

Rengier FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 91

Verf. gibt einen zusammenfassenden, kritischen Überblick über die aktuelle BGH-Rechtsprechung zu den todeserfolgsqualifizierten Delikten.

StGB § 27
Beihilfe bei neutralen Handlungen im Wirtschaftsleben

Jahn/Ziemann FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 239

Die Verf. arbeiten zur Bestimmung des Gehilfenvorsatzes bei wirtschaftstypischen neutralen Handlungen in Fortentwicklung der BGH-Rechtsprechung die Notwendigkeit einer verfassungskonform-restriktiven Auslegung der subjektiven Zurechnung heraus. Der Gehilfenvorsatz sei im Anschluss an Überlegungen u.a. von Hassemer an Hand äußerer Kennzeichen unter ausreichender Würdigung von Gegenindikatoren (§ 261 StPO) zu bestimmen.

StGB § 43
Ersatzfreiheitsstrafe als moderner »Schuldturm«

Pollähne FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 723

Verf. vertritt in der aktuellen kriminalpolitischen Debatte die These, in der Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen liege eine beschleunigte behördliche Kriminalsanktion, die insb. von Armut betroffene Personen hart treffe und die mit Blick auf die Freiheitsstrafe als ultima ratio abgeschafft gehöre.

StGB § 68b Abs. 1 Nr. 12 u.a.
Elektronische Überwachung

Fünfsinn (†) FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 457

Der Beitrag des 2022 verstorbenen Hessischen Generalstaatsanwalts beleuchtet Möglichkeiten der elektronischen Überwachung – Elektronische Aufenthaltsüberwachung (»Fußfessel«) und Elektronische Präsenzkontrolle –, als komplementäre Weisungen. Die Offnheit für deren Anwendung ermögliche, so sein optimistisches Ergebnis, Freiheitsrechte und Kriminalprävention in Einklang zu bringen.

StGB §§ 73 ff.
Einziehung und Rückwirkung

Korte FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 891

Verf. betrachtet die Einziehung mit Blick auf das strafrechtliche Rückwirkungsverbot (vgl. BVerfG StV 2022, 437). Durch ein Tätigwerden des Gesetzgebers könne dieser klarstellen, dass die Einziehung von Taterträgen keine Strafe oder strafähnliche Sanktion sei.

StGB §§ 73 ff.
Zwischenbilanz zum Einziehungsrecht

Rönnau FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 913

Verf. kommt nach der 2017er Reform zu dem Schluss, die Anwendung des Instruments der Einziehung sei entgegen den Vorstellungen des Gesetzgebers wesentlich komplizierter geworden. Da Abschöpfungsmaßnahmen nun grundsätzlich in jedem Strafverfahren in Frage kämen und wesentliche Rechtsfragen ungeklärt seien, müssten ganze Dogmatikbereiche wie das Insolvenz- und Kapitalmarktstrafrecht einziehungsrechtlich auf den Prüfstand gestellt werden.

Strafrecht BT

StGB § 108e
»Maskenaffäre«

Saliger FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 339

Autor untersucht die Strafbarkeit der Beteiligten an der »Maskenaffäre« de lege lata et ferenda. Nach geltendem Recht (vgl. BGH StV 2022, 729 [Ls]; für BGHSt bestimmt) sei keine Strafbarkeit der beteiligten Mandatsträger gem. § 108e Abs. 1 StGB feststellbar.

StGB §§ 113 ff.
Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und -beamte

Singelnstein FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 817

Verf. beleuchtet aus kriminalpolitischer Perspektive das Phänomen der Gewalt gegen Polizeibeamte. Ein Blick auf das BKA-Bundeslagebild sei für eine differenzierte Analyse nicht ausreichend. Diese Methodik verkenne die Interaktionsgeschehen zwischen der Polizei und dem jeweiligen Gegenüber, bei dem den Amtsträgern eine weitreichende Definitionsmacht zukomme. Gewalt gegen Polizei könne nicht ohne Gewalt durch die Polizei gedacht werden.

StGB §§ 113 ff.
Widerstandsdelikte im Wandel der Zeit

Schiemann FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 739

Verf. unterzieht die stetige Verschärfung der Widerstandsdelikte in jüngerer Zeit einer kritischen Würdigung. Sie plädiert für eine stärkere Orientierung der Kriminalpolitik an wissenschaftlicher Evidenz statt an Symbolgesetzgebung.

StGB §§ 174 ff.
Das BVerfG als Hüter der Sexualmoral

Sacksofsky FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 175

Verf. analysiert drei Themenkomplexe (Homosexualität: BVerfGE 6, 389 und BVerfGE 36, 41; Schwangerschaftsabbruch: BVerfGE 39, 1 und BVerfGE 88, 203 sowie Geschwisterinzest BVerfGE 120, 224), in denen das BVerfG statt als Hüter der Grundrechte als Hüter der Sexualmoral fungiert und damit seine Aufgabe verfehlt habe. Auch »homosexuelle Menschen, Frauen und Geschwister, die sich lieben« hätten das Recht auf eine verfassungsrechtliche Prüfung de lege artis.

Strafrecht BT

StGB §§ 174 ff., 185 ff.
Strafbarkeit von »Catcalling«

Hoven/Weigend FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 653

Die Verf. führen ein verschriftetes Streitgespräch zur Strafbarkeit verbaler sexueller Belästigungen im öffentlichen Raum (sog. Catcalling). Einen solchen strafrechtlichen Tatbestand zu formulieren sei eine Herausforderung an die gesetzgeberische Formulierungskunst, die auch von den Verf. nicht abschließend bewältigt wird; hierzu brauche es eine weitere offene Diskussion.

StGB § 185
BVerfG: »Künast-Beschluss«

D. Dörr FS Lehr, Otto Schmidt Verlag, S. 77

Verf. erblickt in der BVerfG-Entscheidung im Fall Künast (StV-S 2022, 42 [Ls]) einen Meilenstein im Kampf gegen Hass und Hetze im Internet.

StGB § 192a
Verhetzende Beleidigung

Kargl FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 359

Verf. untersucht die am 22.09.2021 eingeführte Vorschrift des § 192a StGB. Er bewertet sie dahin, dass die Norm weder den Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes noch den Standards der Strafwürdigkeit (Gerechtigkeit und Angemessenheit) entspreche.

StGB §§ 201 ff.
Videofallen im investigativen Journalismus: Ibiza-Affäre

Klaas FS Lehr, Otto Schmidt Verlag, S. 173

Verf. betrachtet »investigative Videofallen« unter rechtlichen sowie ethischen Gesichtspunkten und kommt zu dem Schluss, die Veröffentlichung des Videos der sog. Ibiza-Affäre sei rechtlich zulässig und ethisch vertretbar gewesen, weil sie wichtige gesellschaftspolitische Fragen betroffen habe.

StGB §§ 203, 34
Gründe für den Bruch der Schweigepflicht

C. Roxin FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 371

Verf. untersucht mögliche Gründe für den Bruch der Schweigepflicht durch Geheimnisträger und kommt zu dem Schluss, dass gerechtfertigtes Handeln nur bei unmittelbar bevorstehenden, die Schweigepflichtverletzung überwiegenden Rechtsgutsbeeinträchtigungen anzunehmen sein könne.

StGB § 211
Der »Mörder«

Frommel FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 789

Autorin betrachtet den »Mörder« als prototypische Figur der NS-Ideologie vom normativen Tätertyp.

StGB § 217 a.F.
Nachfolgeregelung für die geschäftsmäßige Förderung
der Selbsttötung
Hillenkamp FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 615

Verf. befürwortet statt einer neuen Pönalisierungsregelung als Nachfolge für die nach dem Urt. des BVerfG v. 26.02.2020 (BVerfGE 153, 182 = StV 2020, 285 [Ls]) verfassungswidrige Vorschrift in § 217 StGB a.F. eine rein prozedurale Regelung der Freitodhilfe in einem »Suizidhilfegesetz«.

StGB § 240
Drohung mit der Wahrheit

Rettenmaier FS Lehr, Otto Schmidt Verlag, S. 287

Der Autor vertritt die Ansicht, dass selbst wahre Tatsachenbehauptungen verwerfl ich i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB sein können. Hierzu sei nach den von der Rspr. entwickelten Kriterien unter äußerungsrechtlich anerkannten Maßstäben im Einzelfall (noch) zulässiges von (schon) zu missbilligenden Täterverhalten abzugrenzen.

StGB §§ 240, 253, 291
Nötigung bei Ausnutzen von Zwangslage

R. Singer FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 385

Verf. beleuchtet das Problem der Drohung mit einem nicht pflichtwidrigen Unterlassen. Dies könne in Einklang mit jüngerer BGH-Rspr. als Nötigung oder Erpressung bestraft werden, wenn der Täter die Zwangslage des Adressaten ausnutze. Der Wuchertatbestand des § 291 StGB sei keine abschließende Regelung für die Ausnutzung von Zwangslagen zum wirtschaftlichen Vorteil des Täters.

StGB §§ 240, 253, 263, 267
Manipulation im Strafrecht

D. Fabricius FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 325

Der Beitrag beleuchtet die Rolle der Manipulation im Strafrecht, die dann rechtswidrig werde, wenn sie schädliche Folgen habe. Insb. gegen industrialisierte Manipulation sei deshalb auch mit den Mitteln des Strafrechts vorzugehen.

StGB § 263
Täuschung beim Betrug

B. Heinrich FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 343

Verf. setzt sich mit der Abgrenzung strafbaren Betruges von erlaubter Geschäftstätigkeit auseinander, die nur über den Täuschungsbegriff geleistet werden könne, der jedoch nicht hinreichend klar zu bestimmen sei. Dies führe z.B. dazu, dass das juristisch beratene Unternehmen rechtlich abgesichert sei (unvermeidbarer Verbotsirrtum), während unberatene Unternehmen Gefahr liefen, in die Mühlen der Justiz zu geraten.

StGB § 263
Prognosen als Tatsachenbehauptungen

Beckemper FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 115

Die Autorin diskutiert Prognoseentscheidungen (nur) vermeintlicher Experten im Betrugsstrafrecht: diese seien häufig Erklärungen über Tatsachen. Hierzu bedürfte es dann keines Rückgriffs auf die Figur der inneren Tatsache, wenn bereits äußere Tatsachen miterklärt worden seien. Fehle es jedoch an jedem äußeren Bezug, sei die bloße Überzeugung des Erklärungsempfängers über die Prognosen eines Nicht-Experten nicht strafrechtlich zu schützen.

StGB § 263
Betrug bei ärztlichen Wahlleistungen

T. Rudolph FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 661

Verf. statuiert ein hohes Risiko, dass Streitigkeiten über die Zulässigkeit der Abrechnung von Wahlleistungen in Zukunft vermehrt auch die Staatsanwaltschaften beschäftigen könnten.

StGB § 263
Betrug durch Unterlassen

S. Kämpfer FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 165

Der Beitrag setzt sich mit der Aufklärungspflicht aus Ingerenz beim Betrug durch Unterlassen auseinander. Diese Pflicht ende mit Eintritt des Schadens, sodass undolos Handelnde oder die Leitungsebene eines Betriebes nur bei Kenntniserlangung von der Täuschung vor Eintritt eines Schadens bei einem Kunden strafrechtlich zur Aufklärung verpflichtet seien.

StGB § 299a
Ärztliche Betriebsleitung in Krankenhäusern

Dann FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 581

Approbierte Ärzte als Geschäftsführer eines Krankenhauses seien im Kontext von kaufmännisch oder administrativ geprägten Entscheidungen im Rahmen ihrer Geschäftsführertätigkeit nicht unter den Tatbestand des § 299a StGB zu fassen.

StGB § 323c
Selbsttötungsversuch als Unglücksfall?

Dölling FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 595

Verf. subsumiert Selbsttötungsversuche dem Begriff des Unglücksfalls i.S.d. § 323c Abs. 1 Alt. 1 StGB. Die grundsätzliche Hilfeleistungspflicht sei ggf. über das Merkmal der Zumutbarkeit genauer zu konturieren.

StGB §§ 331 ff.
Publikationsverwertung durch Hochschullehrer

Eisele FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 153

Verf. kommt aus Anlass eines praktischen Falls zu dem Ergebnis, dass sich Hochschullehrer durch Publikationen gegen Entgelt nicht gem. §§ 331 ff . StGB strafbar machen könnten, da ihnen die volle urheberrechtliche Verwertungsmöglichkeit unabhängig vom Dienstverhältnis (Publikation von Forschungsergebnissen als Dienstaufgabe oder Nebentätigkeit?) zustehe.

StGB §§ 332 ff.
Schulfotos an Privatschulen

Kuhlen FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 209

In Anknüpfung an BGH, Urt. v. 26.05.2011 – 3 StR 492/10 = StV 2012, 19 kommt Verf. zu dem Schluss, dass im Anbieten eines Vorteils gegenüber einer Privatschule keine Bestechung und in deren Annahme keine Bestechlichkeit liege.

Verfahrensrecht

StPO Vor § 1
Paradoxien im Strafprozessrecht

R. Hamm FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 489

Verf. stellt diverse Paradoxien im Strafprozessrecht dar, die Diskrepanzen zwischen dem rechtspolitisch-normativ verfolgten Zwecken und der realen Entwicklung in der Praxis zeigten. Um solchen Entwicklungen vorzubeugen, befürwortet er eine ehrlichere Rechtspolitik, die sich – auch unter Einbeziehung der Strafprozessrechtswissenschaft – stärker an Evidenz orientiere.

StPO §§ 1 ff.
Gesamtreform der StPO

Jahn FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 771

Verf. spricht sich für eine Gesamtreform mit Augenmaß, aber jenseits von »Sammelsurium-Gesetzentwürfen« aus. Ein erster Schritt könne die Normierung der prägenden Verfahrensmaximen und Verfahrensgrundrechte am Beginn der StPO sein (eine aktualisierte Fassung des Beitrags ist bereits in StV 2022, 594 veröffentlicht).

StPO §§ 2 ff.
Umfangsverfahren und Abtrennung

A. Lilie FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 811

Autorin behandelt die Fragen der Abtrennung von Strafsachen in Umfangsverfahren. Die gerichtlichen Gestaltungsmöglichkeiten seien hier kaum rechtlich überprüfbar. Dies schränke in schwer hinnehmbarer Weise die Rechte der übrigen Beschuldigten ein, denen von der Rspr. mit Hinweis auf die fehlende Beschwer kein Beschwerderecht zugestanden werde.

StPO Vor § 48
Roboter als de facto-Zeugen?

Gleß FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 473

»Roboterzeugen« im Strafprozess seien hinreichender Anlass für eine Reform des Zeugenrechts, um die Chancen von KI zu realisieren; gegenwärtig fehle es jedoch an einer passenden Beweismittelkategorie.

StPO §§ 72 ff.
Psychiatrische Sachverständige

Pfister FS Kröber, MWV Berlin, S. 245

Verf. betrachtet aus Sicht des Revisionsrichters den »Strafrichter und sein(en) Gehilfe« – den psychiatrischen Sachverständigen. Insb. bei Kapitaldelikten, die erstinstanzlich vor dem Landgericht verhandelt werden, sei die Bedeutung des Sachverständigen enorm, da die festgestellte Tatsachenbasis der revisionsrechtlichen Kontrolle entzogen sei.

StPO §§ 72. ff.
Sachverständige der Verteidigung

Schwenn FS Kröber, MWV Berlin, S. 259

Verf. betont die Notwendigkeit des Gutachtens im Auftrag der Verteidigung, um der Gefahr von Fehlurteilen ab initio entgegenzuwirken.

StPO Vor §§ 133 ff.
Unternehmen und Strafprozess

Taschke FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 601

Verf. diskutiert die Rolle des »mitbeschuldigten Unternehmens« im Strafprozess und problematisiert die Gefahr des Tauschs zwischen der Beschuldigten- und Zeugenrolle. Wer die Angaben des Unternehmens als Beweismittel zulassen wolle, müsse auch Sorge für dessen prozessualen Schutz tragen, indem der Beschuldigtenstatus frühzeitig an- und zuerkannt werde.

StPO §§ 137 ff.
Strafverteidigung und Medien

Trüg FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 863

Verf. formuliert seine Erwartung an ernst zu nehmende Medienberichterstattung, in der die Einsicht erkennbar werden müsse, dass alle Bürger potentiell Beschuldigte seien und sich der Großteil strafrechtlicher Vorwürfe nicht erweisen lasse. Von Medienvertretern sei deshalb zu fordern, sich von dem populären Fehlschluss, »er wird es schon gewesen sein, denn es wird ja gegen ihn ermittelt«, endlich zu emanzipieren.

StPO §§ 140 ff.
Notwendige Verteidigung

Wohlers FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 617

Autor prüft, ob in der notwendigen Verteidigung ein funktionales Äquivalent für die fehlende Regelung zu strafprozessualer Prozesskostenhilfe für den Beschuldigten gesehen werden könne. Statt eines reinen Legal-Aid-Konzepts wird von ihm die Absenkung der Notwendigkeits-Schwelle für die Bestellung durch die Praxis befürwortet; ein erneutes Eingreifen des deutschen Gesetzgebers nach der Reform vom 10.12.2019 sei derzeit nicht erforderlich.

StPO § 143a Abs. 2 S. 1
Wechsel des Pflichtverteidigers

Beulke FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 703

Verf. bespricht die Systematik des Pflichtverteidigerwechsels nach § 143a StPO. Der Norm komme in Wissenschaft und Praxis große Bedeutung zu (ergänzend Beulke, Auswechslung wegen terminlicher Verhinderung und Ablehnung der Bestellung eines zusätzlichen Pflichtverteidigers, StV 2023, 191).

StPO § 153a
Grenzen der Auflagenbemessung

Kempf FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 785

Auf empirischen Betrachtungen aufbauend untersucht Verf. die rechtlichen Grenzen der Bemessung von Auflagen und Weisungen gem. § 153a StPO, die in einer nicht geringen Zahl von Fällen überschritten würden.

StPO §§ 230 ff.
Virtuelle Hauptverhandlung in Strafsachen?

Brodowski FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 425

Verf. prüft die Möglichkeit virtuelle bzw. hybride Hauptverhandlungen in Strafsachen durchzuführen anhand des Rechts auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung sowie des Mündlichkeitsprinzips. Wenngleich die Grundsätze des deutschen Strafverfahrens einer virtuellen Hauptverhandlung nicht zwingend entgegenstünden, solle diese rechtspolitische Option zumindest von der Zustimmung des Angeklagten sowie hinreichenden Verfahrensvorkehrungen abhängig gemacht werden.

StPO § 244 Abs. 3
Legaldefinition des Beweisantrags

Ingelfinger FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 759

Verf. begrüßt die StPO-Legaldefinition des Beweisantrags m.W.v. 13.12.2019, die der Praxis großen Nutzen bringe.

StPO § 244 Abs. 3
Beweisbehauptungen ins Blaue hinein

Hartmut Schneider FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 823

Verf. gibt einen Überblick über die Rechtsinstrumente zur »Bekämpfung dysfunktionaler Beweisanträge«. Diese Beschränkungen seien auch ohne Rückgriff auf die anerkannte Rechtsfigur der ins Blaue hinein formulierten Beweisbehauptung möglich, da der Antrag regelmäßig schon unter Hinweis auf die zu abstrakte Bezeichnung der Beweistatsache oder mangels beweisantragsrechtlich unverzichtbarer Konnexität (vgl. § 244 Abs. 3 S. 1 StPO i.d.F.v. 13.12.2019) abgelehnt werden könne.

StPO §§ 249 ff.
Elektronische Urkunde und Beweisrecht

Dallmeyer FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 443

Verf. betrachtet Möglichkeiten der Einbeziehung elektronischer Urkunden und kontrastiert diese mit dem Gebot der Verkörperung beim Urkundenbeweis. Perspektivisch könne sich die E-Akte zur »multimedialen Akte« weiterentwickeln, was den Zugriff der Verfahrensbeteiligten – insb. auch den der Verteidigung – erleichtern würde.

StPO § 257c; öStPO
Absprache im Strafverfahren

Soyer FS R. Leitner, Linde Verlag (Wien), S. 427

Der Autor plädiert unter Hinweis auf die deutsche Normierung für eine gesetzliche Regelung der Absprachen auch im österreichischen Strafverfahren.

StPO §§ 271 ff.
Dokumentation der Hauptverhandlung

Ignor FS Werle, Mohr Siebeck, S. 787

Verf. zeichnet die bisherigen legislativen Entwicklungen zu der Frage der Dokumentation der Hauptverhandlung nach. Er legt dar, dass die Einführung audiovisueller Aufzeichnungen der Wahrheitsfindung vor Gericht zuträglich sei.

StPO § 350 Abs. 2
Revisionshauptverhandlung

Norouzi FS Werle, Mohr Siebeck, S. 853

Verf. beleuchtet die Anwesenheit des (inhaftierten) Angeklagten in der Revisionshauptverhandlung und vollzieht die Genese von § 350 Abs. 2 S. 2 StPO nach, bei dem das intransparente Wirken des BGH dazu beigetragen habe, dass sich am aus der Kaiserzeit stammenden, paternalistischen Konzept der Norm wenig geändert habe.

StPO § 383b; KUG §§ 22, 23
Bildberichterstattung über Verletzte

Wilfert FS Lehr, Otto Schmidt Verlag, S. 193

Die Autorin betrachtet die Grenzen der Bildberichterstattung über Tatopfer. Die Grenzen seien in den allgemeinen Regelungen der §§ 22, 23 KUG zu sehen; eine absoluten Unzulässigkeitsgrenze, insb. in zeitlicher Hinsicht, bestehe nicht.

StPO §§ 403 ff.
Ausbalancierungen des Adhäsionsverfahrens

Barton FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 407

Verf. rekonstruiert das Adhäsionsverfahren als Fremdkörper im Strafprozess und beleuchtet dessen Ecken und Kanten. Die Integration des Adhäsionsverfahrens sei zwar nicht als vorbildlich, aber als typisch für den postmodernen Strafprozess anzusehen.

GVG §§ 141 ff.; LPresseG § 4 u.a.
Öffentlichkeitsarbeit der StA

Gafus FS Lehr, Otto Schmidt Verlag, S. 89

Verf. spricht sich für ein gesetzliches Regelungskonzept der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaften aus, da sich sonst eine nicht mehr zu überblickende Einzelfall-Kasuistik herausbilde..

 

Wirtschaftsstrafrecht

 

StGB Vor § 13
Wirtschaftsordnung und -strafrecht

Kasiske FS 50 Jahre Jur. Fakultät Augsburg, Mohr Siebeck (2021), S. 273

Verf. betrachtet das Verhältnis von Wirtschaftsordnung und Wirtschaftsstrafrecht und meint, man müsse sich von der Steuerungswirkung des Strafrechts nicht zu viel versprechen. Wo Verstöße gegen Strafvorschriften festgestellten würden, seien diese aber nicht mit dem Verweis auf »Systemversagen« für irrelevant zu erklären.

StGB Vor § 13
Brauchbare Illegalität

Th. Schröder FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 375

Verf. setzt sich mit dem Luhmann‘schen Begriff der »brauchbaren Illegalität« im Kontext der Wirtschaftsdelinquenz auseinander. Ein positives Normsystem führe stets zu letzten Resten von brauchbarer Illegalität in der Wirtschaftspraxis, die als Kollateralschäden hinzunehmen seien.

StGB Vor § 13
Kausalität im Wirtschaftsstrafrecht

Ransiek FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 273

Verf. wirft einen besorgten Blick auf die von ihm beobachtete Rechtsprechungspraxis im Wirtschaftsstrafverfahren, sichere Feststellungen zur Kausalität durch Vermutungen und Erfahrungssätze zu substituieren.

StGB § 15
Fahrlässigkeit im Wirtschaftsstrafrecht

Radtke FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 77

Autor betrachtet das Unrecht der Fahrlässigkeit, zu deren Verständnis das StGB sich nicht verhalte und dessen Bestimmung seit Jahrzehnten umstritten sei, mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot sowie die revisionsrechtliche Zugänglichkeit der tatgerichtlichen Feststellungen.

StGB § 266
(Wirtschafts-)Strafrecht AT

Rotsch/Wagner FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 299

Die beiden Verf. betrachten am Beispiel der Untreue den Allgemeinen Teil des (Wirtschafts-)Strafrechts. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass der überwiegenden Literaturansicht zuzustimmen sei, nach der ein hypothetisches Einverständnis die sonst bestehende Untreuestrafbarkeit des Vermögensbetreuungspflichtigen nicht entfallen lasse.

StGB §§ 266, 13
Krisenvorsorge im Unternehmen

N. Müller FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 239

Verf. statuiert eine Pflicht der Unternehmensleitung zur Einhaltung von Mindeststandards der Krisenvorsorge und analysiert die Nichteinhaltung auf ihre strafrechtliche Relevanz hin. Neben der Untreue komme bei der Verletzung von Körper oder Leben Dritter eine Unterlassungsstrafbarkeit in Betracht.

AO § 370
Strafrecht vs. Steuerrecht

P. Kirchhof FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 175

Aufgrund der Eigenständigkeit von Straf- und Steuerrecht führe derselbe Sachverhalt zu teilweise gegensätzlichen Ergebnissen. Speziell eine Steuerhinterziehung wegen eines Betrages, der von den Finanzbehörden nicht gefordert und bei Zahlung zurückgewiesen werde, widerspreche dem verfassungsrechtlichen Grundsatz folgerichtigen Staatshandelns.

AO § 370
Strafbewehrte Steuernorm

Salditt FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 327

Verf. setzt sich mit der staatlichen Rolle als Steuergläubiger auseinander. Er versteht die Verfassungsrechtsprechung so, dass eine »Einladung« zu rechtswidrigem Verhalten durch den Steuergläubiger einer Selbstgefährdung entspreche. Dies im Wege der Auslegung von § 370 AO festzustellen sei Sache der Strafgerichte.

AO § 370
Cum/ex: Grenzen »staatlicher Litigation-PR«

Salditt FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 513

Verf. kritisiert den staatlichen Umgang mit der Aufarbeitung der cum/ex-Fälle. Mit dieser »Litigation-PR« beschädige der Staat die Unschuldsvermutung und mache Befangenheitsanträge obsolet, da es praktisch keinen Strafrichter mehr gebe, bei dem diese Besorgnis entfallen könne. Der gleiche Autor beschäftigt sich anderen Ortes (FS R. Leitner, Linde Verlag [Wien], S. 461) kritisch mit einem anderen Aspekt des Gesamtkomplexes, dem Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Aufarbeitung des cum/ex-Sachverhalts. Die strafrechtliche Wertung im Ergebnis des Untersuchungsberichts sei nicht nur voreilig, sondern auch vielfach rechtlich übergriffig.

DS-GVO
Datenschutzverstoß des Unternehmens

K. Cornelius FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 513

Verf. analysiert die Stellung des »Verantwortlichen« als Normadressaten der Sanktionierung unternehmensbezogener Verstöße nach der DS-GVO. Die in Literatur und Rspr. geführte Auseinandersetzung um das Rechtsträger- oder Funktionsprinzip treffe nicht den dogmatischen Kern des Problems, da der kartellrechtliche Unternehmensbegriff nicht auf den nach der DS-GVO »Verantwortlichen« anwendbar sei.

UWG § 16 Abs. 1
Irreführende Werbung

Krell FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 195

Verf. prüft, ob unwahre Angaben stets auch irreführend i.S.d. § 16 Abs. 1 UWG sind. Während unwahre Angaben nicht von Verfassungs wegen darauf zu prüfen seien, ob sie auch irreführend sind, spreche im seltenen Fall nicht-irreführender unwahrer Angaben viel für eine rein zivilrechtliche Lösung.

GWB §§ 81b, c
Kartellgeldbußen gegen Unternehmensvereinigungen

Achenbach FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 501

Der 2021 eingeführte § 81b GWB erlege umfangreiche Pflichten auf, sei jedoch in der Frage der rechtlichen Garantien für das Unternehmen defizitär, sodass die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift in Zweifel zu ziehen sei.

OWiG § 30
Der Fall »Lafarge«

Schmitt-Leonardy FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 486

Autorin stellt angesichts des französischen Falls »Lafarge« (eines Vorwurfs der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch ein Unternehmen) u.a. Überlegungen zum Umgang mit Kriegsökonomie an.

OWiG § 30
Reform des § 30 OWiG

Waßmer FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 565

Der Beitrag streitet für eine Reform des § 30 OWiG – mit oder ohne ein Verbandssanktionengesetz. Dabei solle der Gesetzgeber prüfen, ob eine Verständigung nach § 257c StPO auch im behördlichen Bußgeldverfahren zugelassen werden könne. Auch solle er ein Beschlagnahmeverbot für Unterlagen aus internen Untersuchungen vorsehen.

VerSanG-RegE; öVbVG
Verband und Strafverfahrensrecht

St. Schumann FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 551

Verf. betrachtet das österreichische Verbandsverantwortlichkeitsgesetz (öVbVG) und stellt die Rolle des Unternehmens im Strafverfahren dar.

VerSanG-RegE
Verbandssanktionen

Greeve/Schoop FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 525

Die beiden Verf. legen eine Anregung für die Reform des Unternehmenssanktionsrechts vor, indem sie die Kritik an dem gescheiterten Regierungsentwurf (RegE) eines VerSanG und weitere klärungsbedürftige Desiderata diskutieren. Zur Stärkung von Compliance-Bemühungen solle im Weiteren insb. eine Regelung zur tätigen Reue erwogen werden.

Interne Erhebungen/Public Criminal Compliance
Chr. Knauer FS Dannecker, C.H. Beck (2023), S. 799

Verf. beschäftigt sich mit internen Untersuchungen in Einrichtungen des öffentlichen Sektors, die im Wesentlichen auf den gleichen Prinzipien wie in der Privatwirtschaft basierten. Aus der unmittelbaren Grundrechtsbindung der Einrichtungen des öffentlichen Sektors erwachse jedoch eine noch stärkere Pflicht zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens für betroffene Mitarbeiter.

 

Kriminalpolitik

Abolitionismus/BtMG
Böllinger FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 755

Der Beitrag geht der Frage nach, ob der Abolitionismus – insb. bei der Zukunft der Prohibition von Btm – eine gesellschaftliche Chance habe. Der Gesetzgeber sei gefordert, wissenschaftlich beraten einen Paradigmenwechsel zu gestalten.

Freiheitlich-demokratische Strafbegrenzung?
Brunhöber FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 59

Verf. untersucht die gängigen Kriminalisierungstheorien mit besonderem Blick auf die Freiheit der Verbotsadressierten und kommt zu dem Schluss, dass Strafrechtsbegrenzung »heute wichtiger denn je« sei, da der Strafgesetzgeber aktuell zur extensiven Kriminalisierung immer neuer Lebensbereiche neige.

Strafrecht in der Diagnosegesellschaft
Burchard FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 77

Verf. plädiert dafür, Gesellschaftsdiagnosen mittlerer Reichweite (»Risikogesellschaft«, »algorithmische Prädikationsgesellschaft«) strafrechtswissenschaftlich aufzugreifen und deren Bedeutung für den politischen Wandel des Strafrechts zu analysieren.

Kollektive Verantwortungsübernahme als Strafrechtsalternative
K. Günther FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 111

Verf. untersucht gesellschaftliche Einflüsse, die Straftaten hervorbringen und fordert eine Kriminalpolitik, die gesellschaftliche Verantwortung akzentuiere. Hierfür sei die Gesellschaft vom »Strafmythos« zu befreien und die kollektive Einsicht der Antike wiederzubeleben, dass das Verbrechen primär in die Verantwortung der Gesellschaft falle.

Strafbarkeit von Desinformation
Herzog/Sotiriadis FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 633

Kritische Betrachtung kriminalpolitischer Erwägungen zur Strafbarkeit des Verbreitens von Desinformation (»Fake News«) in einer freiheitlich verfassten Gesellschaft.

Kriminalität der Mächtigen
Jasch FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 803

Verf. geht der Frage nach, ob Herbert Jägers Konzept einer »Kriminalität der Mächtigen« eine Zukunft habe. Er kommt zu dem Schluss, dass dieser nur als Populärwissenschaftsbegriff tauge und einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Machtverhältnissen hinter der vom Autor diagnostizierten Selektivität der Kriminalisierung im Wege stünde.

»KI«/Algorithmische Justiz
Kaiafa-Gbandi FS Prittwitz, Nomos (2023), S. 693

Verf. wägt pros und cons der Verwendung von Algorithmen in der Strafjustiz ab. Hierbei sei zwar die Sensibilität für die betroffenen Grundrechtsposition zu beachten, dennoch aber die Chance zu sehen, die Qualität und Fairness menschlich verantworteter Gerichtsentscheidungen durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) zu verbessern.